Brief des „Freiburger Bündnis gegen Antisemitismus" an das Bündnis "Freiburg gegen Rechts" und die assoziierten Gruppen zum Ausschluss antisemitischer und antizionistischer Positionen
Liebe Mitgliedsorganisationen des Bündnisses, liebe Organisator*innen,
vielen Dank für die Organisation der großen Demonstrationen der vergangenen Wochen. Sich gegen die autoritäre Formierung zu wehren, ist wichtiger denn je.
Wir wenden uns an Euch aufgrund der Ereignisse des Samstags, dem 22. Februar 2025, im Rahmen der Großdemo, zu der das Bündnis aufgerufen hatte. Wie zu befürchten war, hat die Gruppe „Students for Palestine" die Demonstration genutzt, um ihre israelfeindliche Propaganda mittels Denunziation und Falschbehauptungen zu verbreiten. Dies wollen wir an ein paar Beispielen der gehaltenen Rede aufzeigen.
Auch wenn in Israel rechte Kräfte in der Regierung wie in anderen Staaten auch versuchen, demokratische Strukturen zu schwächen, ist Israel kein „faschistischer Apartheidstaat", sondern eine Demokratie, in der auch arabische und nichtjüdische Staatsbürger*innen gleiche Rechte besitzen.
Weiter wurde unwahrheitsgemäß behauptet, laut einer Studie von „The Lancet" seien 150.000 – 777.000 Tote im Gazakrieg auf palästinensischer Seite zu beklagen. Abgesehen davon, dass einer Studie, in der solch eine extrem ungenaue Aussage getroffen würde, per se jegliche Glaubwürdigkeit entbehren würde, werden diese Zahlen nicht einmal in der entsprechenden Studie genannt. Zudem geht sie sogar weit über die von der Hamas-Gesundheitsbehörde genannten Zahlen hinaus, die ihrerseits bereits keine objektive Datengrundlage bietet.
Ebenso falsch ist die Behauptung, dass Israel laut UN und Amnesty International einen Völkermord begehe, was nicht mehr zur Debatte stünde. Allerdings können diese beiden, für ihren notorischen Antizionismus leider bekannten, Institutionen, nicht nachweisen, dass Israel diesen Krieg führe, um die palästinensische Bevölkerung zu zerstören, wie es die Definition eines Völkermordes vorsieht.
Nach dem Abzug der Israelis aus dem Gaza-Streifen 2005 und der putschartigen Machtübernahme durch die Hamas wurde die Region zu einer unterirdischen Festung für einen Krieg gegen Israel ausgebaut, was in einem asymmetrischen Krieg zu hohen Opferzahlen auch unter Zivilist*innen führt. Im Rahmen der suizidalen Märtyrerideologie wird dies von palästinensischer Seite nicht nur in Kauf genommen, sondern sogar propagandistisch ausgeschlachtet.
Am 7. Oktober 2023 haben die Hamas und assoziierte Gruppierungen, live gestreamt in vollem Täterstolz, auf barbarischste Weise Zeugnis ihrer vernichtungsantisemitischen Ideologie und Praxis abgelegt. Dies wird von „Students for Palestine" erwartungsgemäß verschwiegen, ebenso wie die menschenverachtende Inszenierung der Geiselübergabe der vergangenen Wochen. Stattdessen hat die Gruppe wiederholt die Massaker am 7.10.2023 und damit die Geiselnahmen wiederholt begrüßt, wodurch der Krieg, Schrecken und Leid erst ausgelöst wurde – was nicht stattgefunden hätte, hätte es den 7. Oktober nicht gegeben.
Im Duktus der autoritären K-Gruppen der 70er-Jahre wird auch die Bundesrepublik als „Faschismus" bezeichnet und wahrheitswidrig behauptet, politische Agitation auf Arabisch wäre verboten und würde zu Abschiebung führen. Tatsächlich verboten ist – und wie wir finden, aus gutem Grund – Volksverhetzung, Holocaustleugnung und teilweise auch antisemitische Äußerungen. Mit der Forderung, antizionistische Äußerungen unbeschränkt äußern zu dürfen, befinden sich "Students for Palestine" im Fahrwasser eines libertären Freiheitsbegriffs, der keinen Minderheitenschutz kennt. Im Widerspruch dazu hat die Gruppe im Studierendenrat der Universität erfolgreich eine „Resolution über antipalästinensischen Rassismus" durchsetzen können, die allein die Zustimmung zum Existenzrecht Israels als einen Akt des „antipalästinensischen Rassismus" denunziert.
Betroffene klagen zu Recht über rassistische Erfahrungen auch durch staatliche Institutionen und der Polizei. Wenn "Students for Palestine" sich aber als Opfer einer „brutalen Gewalt" des Staates hinsichtlich einer Räumungsaktion in der Universität darstellt, die aber bewusst provoziert wurde, nachdem das Rektorat ein tatsächlich kritikables Verbot einer Filmvorführung aussprach, stellt das eher ein Fall von falscher Viktimisierung dar, um die Bundesrepublik als faschistischen Staat an die Seite des gleichenfalls denunzierten israelischen Staates zu rücken; auch dies kennt man aus der Rhetorik autoritärer und sektiererischer Gruppen der 70er-Jahre.
Während der Demonstration kam es dann aus dem „Internationalistischen Block", in dem sich neben den „Students for Palestine" noch „Palästina Spricht" und diverse autoritäre K-Gruppen befanden, zu dem Ruf „Klassenkrieg, Klassenkrieg, Intifada bis zum Sieg" – also einem unverhohlener Aufruf zum Judenmord. In dieser Parole wird die Forderung nach einer Klassenauseinandersetzung, hier militärisch zum „Krieg" ausgeweitet, mit dem sogenannten Volksaufstand, der „Intifada", verbunden. Zur Erinnerung: Im Zuge der ersten Intifada von 1987 bis 1993 kam es neben über 600 Toten und 15000 Verletzten zu schätzungsweise weiteren 700 Toten, die als „Kollaborateure" Opfer palästinensischer Lynchjustiz wurden.
Während der zweiten Intifada 2000–2005 mit über 4500 Toten wurden alleine durch die Selbstmordanschläge in Bussen und im öffentlichen Raum über 500 Zivilist*innen ermordet und Tausende verletzt. Gerade die letztere Terrorwelle führte zur weitgehenden Abriegelung der Westbank, um weitere Anschläge auf die israelische Gesellschaft zu verhindern. In der gerufenen Parole werden zudem durch die Vermengung der Begriffe jegliche Klassenkämpfe in Israel nivelliert und „der Jude" in Gestalt Israels zum letzten Kapitalisten stilisiert. Wie es um soziale Kämpfe bzw. der Möglichkeit sich gewerkschaftlich in Westjordanland oder Gaza zu organisieren steht, wird in der Agitation nicht thematisiert.
Diese Argumentation mit dem Aufruf zur Gewalt ist nicht harmlos: Am Abend zuvor hatte ein Antisemit die seit Monaten von „palästinasolidarischen" Gruppen verbreitete Forderung „Globalize the Intifada" in Berlin in die Tat umgesetzt und einen Touristen am Holocaust-Mahnmal niedergestochen und lebensgefährlich am Hals verletzt.
Freiburger Ordner*innen nahmen diese Aufrufe zur Gewalt stillschweigend hin – im Gegensatz zu einem Transparent der feministischen Gruppe „FEM Aktion 8. März Freiburg", dessen Aufdruck „Antifaschistisch – Antirassistisch – Gegen jeden Antisemitismus", die Teilnehmer*innen der Demo provozieren würde, wie von einem Ordner formuliert wurde.
„Students for Palestine" wie mit ihnen assoziierte Gruppen verfolgen eine Strategie, die mit den Mitteln der Begriffsumdeutung, Täter-Opfer-Umkehr, selektiver Geschichtsschreibung, Gewaltrhetorik und Denunziation das „disruptive" Ziel betreibt, den Staat Israel zu zerstören. Diese Politik kopiert Strategien des rechtsextremen Autoritarismus, gegen den sich das Bündnis zusammengefunden hat. Nicht zuletzt ist die Zerstörung Israels der gemeinsame Nenner, den Faschist*innen und Nationalsozialist*innen mit dem radikalen Islam und dem "maximalistischen" Flügel der palästnensischen Nationalbewegung verbindet, der jede Koexistenz kategorisch ausschließt und unter der Maxime "Palästina den Palästinensern" einen ethnisch definierten Volksstaat herbeisehnt.
Nationalismus und Faschismus bringen Antisemitismus notwendig hervor, denn es sind "die Juden", die in dieser Ideologie als imaginierte Gemeinschaft das nationale Kollektiv bedrohen und aufgrund ihrer herbeifantasierten Überlegenheit als Ursacher von Krisen gelten. Der Staat Israel ist Garant dafür, dass die Shoah oder Ähnliches sich nicht wiederholen kann und steht deswegen seit 1948 sprichwörtlich unter Beschuss. Der praktische Imperativ nach Auschwitz bedeutet für jeden Antifaschismus die Solidarität mit Israel, was Kritik an Politik und Praxis nicht ausschließt.
Ein "Bündnis gegen Rechts" sollte weder eine Politik der Delegimitation ignorieren noch Aufrufe zur Gewalt zulassen; sonst betreibt es einen nur selektiven Antifaschismus. Während der Auftaktkundgebung wurde mehrmals zu Recht darauf hingewiesen, dass die derzeitige rechte Mobilisierung in erster Linie vulnerable Minderheiten als Feinde markiert und dass praktischer Antifaschismus bedeutet, jeden Tag Solidarität mit diesen Gruppen zu leben und diese zu schützen. Das stimmt. Dies gilt auch für Jüdinnen und Juden und ihre Unterstützer*innen, die auch in Freiburg mit roten Dreiecken markiert werden und Todesdrohungen ausgesetzt sind.
Wir hoffen, dass es auch weiterhin große Demonstrationen gegen rechts geben wird. Dank Eurer Arbeit gibt es auch ein starkes, diverses Bündnis, das in Freiburg deutliche Zeichen setzen konnte. Bitte lasst Euch nicht von antizionistischen und antisemitischen Gruppen als Plattform benutzen.
Das Freiburger Bündnis gegen Antisemitismus